7 Niedrigpreissegment, mittleres Segment und Luxus

Nach der Erörterung der Distributionssysteme als Ganzes, des Wertewandels der Konsumenten und der Rollen Markenhersteller, traditioneller Einzelhandel und Onlinehandel sollen nun im Konsumgütermarkt drei Marktsegmente beleuchtet werden. Die Verhältnisse darin unterscheiden sich einerseits in grundlegend verschiedenen Werthaltungen der Kunden und andererseits, weil die Machtverhältnisse zwischen den Distributionspartnern unterschiedlich sind.

7.1 Individuelle Präferenzen bestimmen den Wert

Für viele Menschen ist eine reichliche Güterversorgung Alltag, sodass ein Mehr an Konsum nicht automatisch zu einem Mehr an Wohlempfinden führt. Deswegen gibt es einen Trend vom Mehr zum Besser, verstanden als besser zu den individuellen Präferenzen passend. Diese qualitative Orientierung ergänzt quantitative Kriterien wie z. B. die Preisorientierung, so dass Konsumenten in immer stärkerem Mass hybrid sind, also in verschiedenen Situationen ein unterschiedliches Verhalten an den Tag legen. Die Präferenzen hängen von der jeweiligen Einkaufssituation und den verfügbaren Alternativen ab. Da Produkte auf Gattungsebene prinzipiell immer und überall, on- oder offline, gekauft werden können, sind die über das reine Produkt hinausgehenden Merkmale dafür ausschlaggebend, ob und in welchem Kanal etwas zu welchem Preis gekauft wird. Geht es nur um das Produkt allein und ist alles andere unbedeutend, wählt der ökonomisch rational handelnde Verbraucher das Angebot mit dem niedrigsten Preis – im Internet leicht zu finden. Alle Anbieter, denen es nicht gelingt, an über das reine Produkt hinausgehende Präferenzen anzuknüpfen, können nur in Anlehnung an den niedrigsten Marktpreis verkaufen – das ist der Grund für die vielseits beklagte Margenerosion.

7.2 Das Niedrigpreis- und das Luxussegment

Im Vergleich zum mittleren Marktsegment erwarten Studienteilnehmer für das Niedrigpreis- und das Luxussegment eher gute Zukunftsaussichten. Im Markt für Produkte mit sehr niedrigem Preis stehen günstig produzierte Massenprodukte und niedrige Vertriebskosten über allem. Deshalb gibt es dort nur wenige Omnichannel-Anbieter. Bei niedrigen Produktpreisen von geschätzt je nach Branche unter 20 CHF bis 80 CHF profitiert der stationäre Handel davon, dass ein einzelner Verkauf nur sehr geringe variable Kosten aufwirft. Bei niedrigen Produktpreisen und niedrigen Warenkörben kann E-Commerce kaum rentabel betrieben werden, weshalb Anbieter für Lebensmittel Mindestbestellwerte verlangen und in anderen Branchen zumindest bis zu einem Mindestbestellwert Lieferkosten erhoben werden. Bei höheren Produktpreisen profitiert der Onlinehandel, da die Fulfillmentkosten einen geringeren Anteil am Verkaufspreis ausmachen. Dementsprechend kann bei einigen Discountern beobachtet werden, dass sie Verkaufsaktionen mit höherpreisigen Produkten im Internet anbieten, während sie ihr Stammsortiment online nicht zum Kauf anbieten. Das Zusatzangebot wird in den regelmässig breit gestreuten Werbemitteln beworben, wodurch das Ertragspotenzial insgesamt steigt. Die ergänzenden Produkte können in der Regel an der Kasse im Geschäft bezahlt werden, worauf Käufer einen Code bekommen, mit dem sie das Produkt online abrufen und sich liefern lassen können. Auch das ist ein Beispiel für virtuelle Sortimentserweiterungen, die in Kapitel 5.1 thematisiert wurden.

Die Distribution für Niedrigpreisprodukte wird von Handelsmarken dominiert, die alles auf Effizienz ausrichten. Die Anbieter sind oft vertikal integriert.

Vertikal integrierte Modemarken sind die Gewinner der letzten zehn Jahre, aber heute haben sie teilweise auch Probleme. Laurent Garet, La Redoute Suisse

Im Markt für Luxusprodukte, in dem die Produkte selbst den Flair von Luxus vermitteln, haben Onlineshops das Stigma ihrer Untauglichkeit verloren. Marken legen aber höchsten Wert darauf, so viel Kontrolle über die Kanäle zu behalten, dass die Markenbotschaft unverwässert transportiert und das Preisniveau gehalten werden können. Dazu ist eine intensive Zusammenarbeit zwischen Marken und Handel nötig. Dieses Geschäft ist ein internationales, weil auch die Kundenklientel international orientiert ist. In den letzten Jahren konnten sich einige Onlineanbieter im Luxussegment etablieren. Omnichannel- und No-Line-Konzepte können das Serviceniveau erhöhen. In der Schweiz richtet sich nun Jelmoli mit der Entwicklung kanalübergreifender Services gezielt darauf aus.

Unsere Mission ist es, Menschen zu inspirieren und dazu beizutragen, ihre Persönlichkeit sichtbar zu leben. Das gleiche einzigartige Einkaufserlebnis und die Premiumness, wie wir sie heute bereits in unserem Haus an der Bahnhofstrasse bieten, werden mit dem Onlineshop-Relaunch ins Web übertragen und mit der Expansion an den Zürcher Flughafen im Frühling 2020 konsequent kanalübergreifend erlebbar. Marc Huber, Jelmoli

Die Distribution für Luxusprodukte wird von den Markenherstellern dominiert, die alles auf Kontrolle und den Erhalt des Markenwerts ausrichten.

Die jüngste Entwicklung, nicht nur bei Luxusuhren, ist die Professionalisierung des Handels mit Produkten aus zweiter Hand – der Begriff gebraucht wird nicht verwendet. Selbst der Vorbesitzer kann den Wert eines solchen Angebots erhöhen. Das zeigt, dass ricardo.ch mit dem Begriff Personal Commerce einen Zeitgeist trifft.

7.3 Das breite mittlere Marktsegment

Der grösste Teil des Marktes ist nicht primär auf den niedrigsten Preis oder auf Luxus ausgerichtet. Auch die Machtverhältnisse in der Distribution sind im breiten mittleren Marktsegment nicht so eindeutig. Vielmehr ist es ein Ringen und Suchen nach der bestmöglichen Arbeitsteilung für Erfolg. Die Aussagen in diesem Bericht beziehen sich in erster Linie auf dieses mittlere Marktsegment.

Vor allem Anbieter im mittleren Preissegment kommen durch E-Commerce unter Druck, insbesondere durch grosse internationale Pure-Player. Marc Huber, Jelmoli

Ob die Kunden einen höheren Preis akzeptieren, hängt von ihren Einkaufsalternativen in ihrer aktuellen Situation ab. Philippe Huwyler, coop@home

Auf der Anbieterseite geht einerseits die Konsolidierung weiter, andererseits entstehen neue Chancen. Insbesondere mit erlebnisorientierten Leistungen, und wenn diese digital verknüpft werden, lässt sich zusätzliche Wertschöpfung generieren. Markus Naegeli, Canon Schweiz

Da hybride Konsumenten in der Mitte nicht einer eindeutigen Wertepräferenz zugeordnet werden können, sich zudem in verschiedenen Situationen unterschiedlich verhalten, ist es für Anbieter so schwer, sich auf sie auszurichten. Die Problemstellungen für traditionelle Anbieter und reine Onlineanbieter sind dabei – unter unterschiedlichen Rahmenbedingungen – weitgehend deckungsgleich. Das wird nachfolgend ausgeführt.

Die Herausforderung für jeden Anbieter ist, eine eigene Kombination von Leistungsmerkmalen zu finden, die Nachfrage auslösen und in einem dazu passenden Kosten- Nutzen-Verhältnis erbracht werden können.

7.3.1 Perspektiven des stationären Handels

Am intensivsten sind die Diskussionen über die Perspektiven des stationären Handels. Für deren Beurteilung können drei Typen von Einkäufen unterschieden werden:

  1. Gewohnheitsmässige Einkäufe in Geschäften in der Region des Konsumenten: Diese dürften auch in Zukunft ein wichtiges Fundament des stationären Handels sein. Diese Art einzukaufen hat viele Vorteile für Personen, die sich zeitlich nach den Geschäften richten können und für die das Sortiment weitgehend passt. Vor allem ist der Einkauf spontan möglich und Kunden können die Ware sofort mitnehmen. Limitierungen ergeben sich daraus, dass sich die Ansprüche der Kunden ausdifferenzieren und sie deshalb gezielt auf andere Anbieter ausweichen. In der Folge reduzieren sich die Besuchsfrequenz und der Anteil dieses Typus von Einkäufen an den Konsumausgaben.

  2. Erlebnisorientierte Einkäufe in Geschäften der Region und in aller Welt: Shopping ist auch eine Freizeitaktivität, Konsum auch eine Facette der Persönlichkeit. Das Warenangebot, die persönlichen Begegnungen, das Ambiente des Geschäfts und die Attraktivität seiner Umgebung müssen mit den Präferenzen der Zielgruppe übereinstimmen. Meist sind die Konsumenten dann deutlich weniger preisorientiert – der Aufwand auf Anbieterseite ist aber auch höher. Der kritische Faktor für die Anbieter ist, ob am Ort genügend Nachfrage mobilisiert werden kann.

  3. Einkäufe nach Anregung oder Recherchen im Internet: Es gibt viele Gründe, warum Konsumenten nach einer im Internet gebildeten Kaufabsicht einen stationären Anbieter in der Region auswählen, auch wenn viele Onlineangebote verfügbar sind. Ein stationärer Händler kann davon profitieren, wenn es ihm entweder gelingt, die Anregung durch seine Aktivitäten im Internet selbst auszulösen, oder wenn er von einem Interessenten gefunden wird, der ein Produkt online gesucht hat. Beide Voraussetzungen sind sehr anspruchsvoll zu realisieren und erfordern beim Anbieter entsprechende Kompetenzen und Ressourcen. Fraglich ist, ob sie in einem geeigneten Kosten-Nutzen- Verhältnis erfüllt werden können.

Die in den vorangegangenen Kapiteln beschriebenen Entwicklungen laufen alle darauf hinaus, dass der Umsatzanteil des stationären Handels an den Konsumausgaben weiter zurückgeht. Die Anbieter setzen deshalb einerseits auf Kosteneinsparungen durch Flächenreduktion und effizientere interne Prozesse, andererseits auf eine Weiterentwicklung ihrer Leistungen, um noch mehr Kundenansprüchen noch besser gerecht zu werden. Unsicherheit besteht, ob es gelingt, damit eine im Vergleich zu einem niedrigen Marktpreis relevant höhere Zahlungsbereitschaft der Kunden auszulösen, und ob das Kostenproblem überhaupt in den Griff zu bekommen ist. Skeptische Einschätzungen dazu zeigt Abb. 29.c

Stationär wird es immer geben, aber viel digitaler. Es gibt bereits Concept Stores, in denen auf kleiner Fläche die Schnelldreher gezeigt werden, und der Rest ist online verfügbar. Patrick Bundeli, INTERSPORT Schweiz

Im filialisierten Handel werden nur Konzepte überleben, die einen Added Value bringen. Das kann ein spezieller Service sein, eine kompetente Beratung, ein besonderes Erlebnis am POS oder die Verbindung mit anderem relevantem Content. Und man muss Branchen-Know-how haben, nur dann gibt es eine Überlebenschance. Studienteilnehmer

Trotz der Verschiebung zu Online gibt es ein genügend grosses Marktpotenzial für die FCW-Geschäfte. Marcel Dobler, Franz Carl Weber

Der stationäre Handel braucht Use Cases oder Produkte, die physisch erfahrbar sein müssen. Kilian Kämpfen, Scout24 Schweiz

Der stationäre Handel entwickelt sich von einer reinen Verkaufsfläche zu einer Vermarktungsfläche. Sven Betzold, ifolor

Die mit stationären Geschäften erreichbare räumliche Nähe zu Kunden ist weiterhin ein Wettbewerbsvorteil. Pascal Schneebeli, Orell Füssli Thalia

Physische Kontaktpunkte werden wichtig bleiben, die Frage ist, wie sie nachhaltig finanziert werden können. Studienteilnehmer Stationäre Anbieter haben schon eine Perspektive, wenn sie die Digitalisierung hinbekommen und es schaffen, sich über Dienstleistungen zu positionieren. Francesco Vass, ricardo.ch

Die Verlagerung von Handelsfunktionen vom stationären Handel zu Onlineanbietern wird in den nächsten Jahren noch weitergehen. Daniel Röthlin, Ex Libris

Würde der stationäre Handel zu stark ausgedünnt werden, wäre das auch ein Problem für die Hersteller. Es ist deshalb auch in ihrem Interesse, die Zusammenarbeit so zu optimieren, dass der Handel entlastet wird. Ein Ansatzpunkt dafür ist – neben den bereits thematisierten virtuellen Sortimenten – ihm eine höhere Warenverfügbarkeit bei geringerem Warenrisiko zu ermöglichen, z. B. durch flexiblere Nachliefermöglichkeiten. Ein anderer sind Vergütungsformen, die erlebnis- oder serviceorientierte Leistungen nicht nur mit umsatzabhängigen, sondern auch mit fixen Erlöskomponenten honorieren. Seitens des Handel würde das bedeuten, dass die Hersteller – gegebenenfalls vertreten durch einen Grosshändler – mehr Einfluss bekommen. Es müssten mehr Daten für die Feinsteuerung der Warenflüsse und Promotionen ausgetauscht werden. Die Bestimmung der Vertriebsmarge müsste entsprechend einer flexibleren, anforderungsgerechten Arbeitsteilung ebenfalls flexibler gehandhabt werden. Dabei ist allerdings zu berücksichtigen, dass der Handel eine kalkulierbare Ertragsgrundlage braucht.

Produkte, die im Handel nicht mehr sichtbar sind, verlieren an Bedeutung. Markus Naegeli, Canon Schweiz

Die Frage für die Industrie ist, wie sie neue Produkte oder neue Technologien erlebbar macht, bei immer weniger physischen Kontaktpunkten. Pierre Wenger, Interdiscount

Gleichzeitig hat ein stationärer Händler ein Potenzial, Leistungen für Kunden anderer Anbieter zu erbringen und dadurch seine Ressourcen besser auszulasten. Das können lokale Serviceleistungen oder auch die schnelle Bereitstellung von Produkten aus dem eigenen Warenbestand sein. Auch wenn dieser Idee viele Vorbehalte entgegengebracht werden, muss davon ausgegangen werden, dass solche Services bis zum Jahr 2025 üblich sein werden. In Deutschland praktiziert Zalando die Auslagerung des Fulfillments an lokale Händler schon seit Anfang 2018. Und im Zuge der Vermischung der Grosshandels- und Einzelhandelsrolle bieten immer mehr Marktteilnehmer an, Streckengeschäfte für Dritte abzuwickeln. Anstelle einer pauschalen Ablehnung sollte deshalb abgewogen werden, welche Leistungen welchem Partner angeboten werden können und welche ihm vorbehalten bleiben sollten.

Stationäre Geschäfte als Frontend im E-Commerce – ein Verständnis als Touchpoint einer vernetzten Angebotswelt kann ihnen ein grösseres Potenzial eröffnen.

Bei beiden Lösungsansätzen und im geschilderten dritten Einkaufsszenario erwachsen die Potenziale aus einer Vernetzung des stationären Anbieters: mit Kunden, um ihnen einen Zugang aus dem Internet zu eröffnen, mit Herstellern für flexiblere Formen der Zusammenarbeit, insbesondere beim Bezug von Ware, und mit anderen Marktteilnehmern für Leistungen, die im Rahmen derer Verkäufe oder Verkaufsanbahnungen erbracht werden können.

Die Zusammenarbeit mit den Lieferanten wird flexibler, jetzt beginnt auch die Flexibilisierung der Marge nach den erbrachten Funktionen. Matthias Fröhlicher, KOALA

Den höheren Anforderungen kann man nur durch mehr Zusammenarbeit gerecht werden. Das heisst aber auch, dass die Marge geteilt werden muss. Patrick Bundeli, INTERSPORT Schweiz

2025 wird es normal sein, dass stationäre Geschäfte Artikel verkaufen, die zum Kaufzeitpunkt im Laden nicht vorrätig sind. Patrick Strumpf, Jamei

Das Konzept der branchenweiten Verfügbarmachung von freien Reiseleistungskapazitäten mit branchenweiten Plattformen ist auf physische Konsumgüter übertragbar. Nicole Pfammatter, Hotelplan Suisse

7.3.2 Perspektiven im Onlinehandel

Bei Gesprächen zur Situation traditioneller Anbieter stehen derzeit vor allem die Probleme rund um die Ladengeschäfte im Zentrum. In mehreren Gesprächen mit reinen Onlineanbietern kam die andere Seite der Medaille zum Ausdruck: stationäre Geschäfte als Fixpunkte in der Aufmerksamkeit der Kunden. Reinen Onlineanbietern fehlt die selbstverständliche Wahrnehmung und Präsenz, die Geschäfte in ihrem Umfeld haben. Onlineanbieter müssen Wahrnehmung und Zugang zu Kunden auf andere Weise herstellen – und das ist zwischenzeitlich sehr Knowhow- intensiv und teuer geworden.

Nicht nur die Preise, auch die Kosten gleichen sich online und stationär einander an. Wo Online noch günstiger ist, wird der Spielraum für mehr Marketing ausgegeben, bis die Kostenniveaus wieder gleich sind. Matthias Fröhlicher, KOALA

Die Verhältnisse zwischen traditionellem Handel und reinem Onlinehandel haben sich stark angenähert. Aus Sicht der meisten Konsumenten verschwimmen sie, zumindest bei Multichannel-Anbietern. Ein Beispiel, an dem das besonders deutlich wird, ist die PCP.COM-Gruppe, von 1998 bis 2014 ein reiner Onlineanbieter, der 2014 die kriselnde STEG Electronics mit rund 15 Filialen übernahm. Derzeit werden diese nach einem neuen Konzept umgebaut, um die Funktionen Dienstleistungen, Schulungen und Logistik optimal zu erbringen. In den Verkaufsräumen sind keine Schachteln zu sehen, sondern ausschliesslich betriebsbereite Geräte, an denen die Mitarbeitenden Funktionen zeigen können. Zu den Dienstleistungen gehören in den Filialen durchgeführte Reparaturen – auch an Geräten, die andernorts gekauft wurden. Die Logistik ermöglicht auf Wunsch regionale Expresslieferungen binnen weniger Stunden. Für andere Wiederverkäufer bietet PCP Streckengeschäfte an. Das Beispiel zeigt einerseits, wie Kompetenzen und Möglichkeiten eines Online Pure Players und eines Filialnetzes mit genau aufeinander abgestimmten Services kombiniert werden können und andererseits, dass keine Scheu besteht, auch andere Wiederverkäufer zu beliefern und Reparaturen an Geräten vorzunehmen, die bei Wettbewerbern gekauft wurden.

In der PCP-Gruppe verfolgen wir eine hybride Strategie: mit unseren Pure-Online-Playern bedienen wir als Discount-Shops Kunden, die den niedrigsten Preis suchen, und mit STEG bedienen wir unsere Stammkundschaft, die bei uns einkauft, weil wir den besten Service erbringen. Lorenz Weber, PCP.COM-Gruppe

Die Herausforderungen der Onlineanbieter sind das hohe Preis-Leistungsniveau, das von grossen multinationalen Anbietern vorgegeben wird, der Zugang zu Kunden und, damit verbunden und analog zu traditionellen Anbietern, die Suche nach Differenzierungsmöglichkeiten im Wettbewerb. Dafür bieten sich grundsätzlich die gleichen Ansätze an: exklusive Produkte oder Services, Werte oder Erlebnisorientierung und die Erhöhung des Leistungsniveaus in Partnerschaften.

Onlineanbieter haben weniger Berührungsängste als Retailer, mit Wettbewerbern zusammenzuarbeiten.

Auch Onlineanbieter gehen Partnerschaften ein, um virtuelle Sortimente aufzunehmen, um durch Dritte erbrachte Dienstleistungen anbieten zu können, um über gemeinsame Kampagnen neue Zugänge zu Kunden zu finden sowie um Absatzmöglichkeiten für die eigenen Leistungen in den Geschäftsmodellen anderer Unternehmen zu finden – durchaus auch bei Wettbewerbern. Engagements auf Onlinemarktplätzen sind hier ebenfalls zu nennen (vgl. Kapitel 6.2), auch wenn deren Geschäftsgebaren nicht immer partnerschaftlich anmutet.

Der Fokus wird sich von Produkten zu Services verschieben. Anbieter werden neben ihren Produkten vermehrt Services und Erlebnisgarantien verkaufen. Flaschenpost verkauft die Garantie auf einen perfekten Wein-Moment. Unsere Produkte sind nur noch ein Teil dieser Leistung. Dominic Blaesi, Flaschenpost Services

Ein individueller Onlineshop kann sich nur behaupten, wenn er eine gute Marke oder etwas Exklusives hat. Christopher Tscholl, FREITAG lab.

Individuelle Onlineshops müssen sehr viel Geld ausgeben, um sichtbar zu werden. Allen Krief, DeinDeal

Als einzelner Onlineshop kann man sich nach wie vor nachhaltig differenzieren. Dazu braucht man einen klaren Use Case mit den richtigen Produkten, Empfehlungen und guten Suchergebnissen. Kilian Kämpfen, Scout24 Schweiz

Digitale Reichweite wird genau so aufwendig wie analoge. Christof Zogg, Starticket

Anbieter mit einem eigenen Onlineshop, die nun gemerkt haben, wie schwierig es ist, an relevanten Traffic zu kommen, suchen nun Lösungen auf Marktplätzen oder in Kooperationen. Marc Isler, BRACK.CH

7.4 Kanalübergreifend dynamische Preise

Sowohl bei Online- als auch bei Offlineanbietern ist eine Zunahme der Dynamik in der Preisbildung zu beobachten. Im E-Commerce ist es bereits Standard, dass Verkaufspreise kontinuierlich an die Preise von Wettbewerbern und an die Nachfrage angepasst werden. Die Airline- Industrie hat es vorgemacht, zwischenzeitlich ist es auch im Konsumgüterbereich verbreitet. Dazu werden die verfügbaren Angebote der Wettbewerber mit so genannten Webcrawlern automatisiert ausgelesen und analysiert, Abb. 30: Dynamische Preise werden zunehmen um anschliessend die eigenen Preise anzupassen. Im stationären Handel richten sich die Anbieter in einigen Branchen ebenfalls an den Onlinepreisen aus, z. B. im Elektronikhandel. Je nach Art der Preisauszeichnung werden die Preise in den Geschäften mehr oder weniger häufig angepasst. Eine ganze Reihe filialisierter Handelsunternehmen hat ihre Geschäfte mit elektronischen Preisschildern ausgestattet und kann die Preise nun kanalübergreifend synchron und genau so dynamisch anpassen wie Onlineanbieter. Abb. 30 zeigt, dass eine Mehrheit der Studienteilnehmer damit rechnet, dass sich dynamische Preisbildung bis 2025 in vielen Branchen etablieren wird.

Die automatisierten Preisanpassungen haben den Preiskampf im Internet verstärkt. Umgekehrt gibt es von der Wettbewerbssituation her auch immer wieder Gelegenheiten, Preise nach oben anzupassen.

Das Pricing wird in Zukunft dynamischer werden – und das ist auch notwendig, um trotz der durch die Digitalisierung getriebenen regionalen Preisharmonisierung künftig die Gesamtrente wieder optimieren zu können. Studienteilnehmer

Ein Gesprächspartner führt aus, dass die Preise nach einer Welle der Preisharmonisierung derzeit wieder auseinanderklaffen. Er beobachte, dass Kaufkraft gezielt abgeschöpft werde, wo das möglich ist. Nachdem die Preise in der Vergangenheit überwiegend gesunken seien, sei es für die Anbieter jetzt notwendig, die Preise dynamischer handzuhaben und Ertragsmöglichkeiten abzuschöpfen.

Bei Multichannel-Anbietern ist zu beobachten, dass sie die im Allgemeinen praktizierte Regel, dass die Preise in allen Kanälen gleich sind, durch Produktdifferenzierung umgehen. Dabei wird im einen Kanal das günstigere, im anderen dagegen nur ein ähnliches, aber teureres Produkt angeboten.

Last updated